Frühe Dieselmotoren aus Graz und ihr Hersteller

von Horst Köhler, Friedberg

 

Einleitung

Läuft man in der 20.000-Personen-Stadtgemeinde Schwechat südöstlich von Wien entlang der Mautner-Markhof-Straße, bewegt man sich auf dem ehemaligen weitläufigen Gelände der niederösterreichischen Brauerei Schwechat. Diese ist seit 1978 im Besitz der Brau Union Österreich AG und gehört heute zum Heineken-Konzern. Das Gelände selbst wurde ab etwa 2005 größtenteils geschleift und mit neuen Wohnungen überbaut. Die Geschichte der Brauerei Schwechat selbst geht bis 1632 zurück und kennt viele Besitzerwechsel und Übernahmen anderer Brauereien in der damaligen ungarisch-österreichischen Monarchie.

Die Hausnummer 1 der Mautner-Markhof-Straße ist ein renoviertes ehemaliges Arbeiterwohnhaus der Brauerei. Direkt dahinter trifft man auf die immer noch imposante „Dieselzentrale“, das ehemalige diesel-elektrische Kraftwerk der Brauerei. Es handelt sich um ein aus industriearchäologischer Sicht besonders schönes Beispiel der Hallenbauweise zu Beginn des 20. Jahrhunderts (Bild 1). Leider ist das 1906/07 in Betrieb gesetzte Kraftwerk für Besucher nicht mehr zugänglich; es befindet sich in Privatbesitz. Die jetzigen Eigentümer tragen offensichtlich wenig zum Erhalt des Gebäudes bei, obwohl die Halle unter Denkmalschutz steht. So müsste die eiserne Deckenkonstruktion mit ihrem verglasten Dachaufsatz dringend saniert werden. Wie groß die in Backsteinbauweise ausgeführte Halle ist, zeigt sich daran, dass in ihr bis Sommer 2008 die damalige Ausstellung des Austrian Aviation Museum (AAM), einem 1996 gegründeten österreichischen Luftfahrtmuseum, untergebracht war.

Eine neue Entwicklung zeichnet sich jedoch Anfang 2021 durch eine Gutachtenerstellung der Diesel-Zentrale durch österreichische Experten ab. Dieser offizfielle Auftrag ist die Grundlage für eine Renovierung des Gebäudes inclusive eines leichten Umbaues. Eine Wiederinbetriebsetzung einer der beiden Generatorsätze II oder III zu Schauzwecken ist nach derzeitigem Stand (Juni 2021) nicht mehr ganz auszuschließen [Anonym, 2021].

 

Dieselkraftwerkshalle (Dieselzentrale), Schwechater Brauerei
Bild 1: Die in Sichtziegelbauweise erstellte Dieselmotoren-Kraftwerkshalle (Dieselzentrale) der früheren Schwechater Brauerei steht unter Denkmalschutz. Hier eine Aufnahme aus dem Jahr 2014.

 

Blickt man durch eines der sechs großen Fenster entlang der südlichen Längsfront mit Portal und vorgelagerter Freitreppe in der Mitte (Bild 1), erkennt man an der gegenüberliegenden Wand eine riesige Schalttafel aus massivem, in Messing gefassten Marmor. Davor stehen vier große, auf Betonfundamenten platzierte Dieselmotoren (Bild 2 und Bild 2a), gebaut von der früheren „Grazer Waggon- und Maschinen-Fabriks-Aktiengesellschaft“ (im Folgenden der Einfachheit halber kurz Graz, kursiv geschrieben, genannt); sie trieben Generatoren der damaligen Wiener Schuckert-Werke und der Österreichischen Siemens AG zur Stromerzeugung für die Brauerei an und waren bis Mitte der 1950er-Jahre in Betrieb. Dies zeugt von einer guten Qualität und robusten Konstruktion der Anlage, auch wenn von den ursprünglichen Dieselmotoren aus der Zeit um 1906/07 keiner mehr existieren dürfte.

So wurde der Generatorsatz außen links, die Anlage I, im Jahr 1920 erneuert. Beweis dafür ist ein großes längliches Typschild, das an der Motorgalerie befestigt ist. Dort sind folgende Angaben zu lesen: "Grazer-Waggon- & Maschinen-Fabriks-Aktiengesellschaft vorm. Joh.  Weitzer  -  Wärme-Motor  -  Patent Diesel  -  Schild-Nummer 663  -  Baujahr 1920". Eine Motorenleistung ist auf dem Schild leider nicht angegeben. Man darf annehmen, dass sie etwa 400 PS betragen hat.

Weitere Motor-Typschilder gibt es in der Halle leider nicht.

 

Die beiden inneren Anlagen II und III mit jeweils drei Zylindern und einer Leistung von je 300 PS, sind in Bild 2a zu sehen. Es handelt sich um eine im Jahr 1911 veröffentlichte zeitgenössische Aufnahme. Dies bedeutet, dass diese beiden Motoren noch aus den Anfangsjahren der Diesel-Zentrale stammen, zumal auf einer Kühlwasserpumpe die Jahreszahl 1905 zu entziffern ist.

Der Vierzylindermotor IV rechts außen ist der jüngste in der Halle und dürfte nach Gutachteraussage aus der Zeit um 1931/32 stammen. Er unterscheidet sich von den übrigen Dieselmotoren unter anderem durch eine modernere Kompressor-Ausführung und einen größeren teilgekapselten Generator. Ob er ebenfalls von Graz gefertigt und geliefert wurde, gilt zum gegenwärtigen Zeitpunkt als unsicher. 

 

Doch was ist heute über das Grazer Unternehmen bekannt und welche Dieselmotoren baute Graz? Gesicherte Details dazu sind selten, vor allem weil die Archive der Grazer Fabrik gegen Kriegsende im Jahr 1945 weitgehend zerstört wurden. Überraschend ist jedenfalls die große Zahl der von Graz gebauten Dieselmotoren: allein bis 1926 sollen 1.000 Motoren mit einer Gesamtleistung von rund 130.000 PS das österreichische Werk verlassen haben [Anonym 2020].

 

Frühere Dieselkraftwerkshalle (Dieselzentrale) in Schwechat, vier Dieselmotoren der Grazer Waggon- & Maschinen-Fabriks-Aktiengesellschaft
Bild 2: Auf einer Grundfläche von jeweils etwa 4 x 8 m stehen in der Diesel-Zentrale zwei Dreizylinder- und zwei Vierzylinder-Viertakt-Dieselmotoren. Bild 1 und 2: Thomas Adam
Diesel-Zentrale Schwechat, Anlagen II und III in einer Aufnahme aus dem Jahr 1911
Bild 2a: Dieses zeitgenössische Foto aus 1911 zeigt die Anlagen II und III aus der Frühzeit der Diesel-Zentrale. Im Hintergrund entlang der Fenster ist der Motor I teilweise zu sehen. Quelle: Dinglers Polytechn. Journal 1911 (damals mit falschem Bildtext)

 

Unternehmensgeschichte

Das 1854 von dem gelernten Huf- und Wagenschmied Johann Weitzer (1832-1902) in Graz gegründete Unternehmen mit anfangs nur drei Schmiedegesellen als Mitarbeiter wurde 1861 unter dem Namen „Waggon- und Maschinenfabrik“ erweitert, unter anderem durch eine Eisen- und Metallgießerei. Das Firmenareal umfasste zu diesem Zeitpunkt eine Fläche von 13.500 qm; auch eine 20 PS-Dampfmaschine arbeitete im Werk. 1895 mit einer Belegschaft von etwa 1.200 Mann in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, trug das Grazer Stammwerk ab 1900 den langen Namen „Grazer Waggon- und Maschinen-Fabriks-Aktien-Gesellschaft, vormals Joh. Weitzer“. Die Hauptprodukte waren anfangs Schmalspurfahrzeuge und elektrische Triebwagen für Schmal- und Normalspur. Ab 1899 kamen die Dieselmotoren hinzu, ab den 1910er-Jahren Elektrolokomotiven, Diesellokomotiven sowie benzin-mechanische Triebwagen nach eigener Konstruktion.

 

Während des Ersten Weltkriegs war Graz hochprofitabel; die Firma beschäftigte über 4.000 Mitarbeiter. Doch dann brachen zunehmend Aufträge weg. Während der Weltwirtschaftskrise musste die Fabrik eng mit der "Simmeringer Maschinen- und Waggonfabrik" zusammenarbeiten. Es kam schließlich zur Fusion beider Unternehmen unter dem neuen Namen „Simmeringer Maschinen- und Waggonbau-Aktiengesellschaft“. 1934 wurde die gesamte bisherige Produktion und die Dieselmotorenfertigung schließlich von Graz nach Simmering verlegt. Die Gießerei schloss ein Jahr später ebenfalls; die Fabrik- und Bürogebäude von Graz standen nunmehr leer.

 

Nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich wurde im Herbst 1938 die Produktion bei Graz wieder aufgenommen, wobei primär für die nationalsozialistische Kriegsmaschinerie gearbeitet wurde. 1941 folgte der Zusammenschluss der „Paukerwerk AG“ und der „Simmeringer Maschinen- und Waggonbau-Aktiengesellschaft“ zur neuen „Simmering-Graz-Pauker Aktiengesellschaft für Maschinen-, Kessel- und Waggonbau“, kurz SGP. Während des Zweiten Weltkriegs beschäftigte man bei der SGP bis zu 1.600 Arbeiter. Durch Kriegseinwirkung wurde das Unternehmen zwischen November 1944 und April 1945 fast völlig zerstört, doch nach Kriegsende rasch wieder aufgebaut. Die Stadt Graz wurde nun Standort für die Fertigung von E-Loks, Waggon- und Triebwagen, während Diesellokomotiven und -Triebwagen in Simmering gefertigt wurden. 1946 wurde der SPG-Konzern verstaatlicht, im Jahr 1989 aufgelöst und die Grazer Fabrik vom Siemens-Konzern übernommen. Man fertigt heute bei Siemens AG Österreich in der Stadt Graz vorwiegend Drehgestelle für Lokomotiven, Triebwagen und Waggons, während in Simmering der Schwerpunkt des Unternehmens auf dem Bau von Diesellokomotiven, Dieseltriebwagen sowie Straßenbahnen liegt.

 

Lizenzvereinbarungen und erste Dieselmotoren in Österreich-Ungarn

Die Dieselaktivitäten in Österreich-Ungarn begannen am 10.2.1899 mit der Gründung der Budapester „Aktiengesellschaft für Dieselmotoren“ durch die „Ungarische Allgemeine Kreditbank“ und der „Waffen- und Maschinenfabrik Aktiengesellschaft“, beide in Budapest. Am 21.2.1899 gingen alle Rechte an den Diesel-Patenten an das neu gegründete Unternehmen über. Im Gegenzug wurde noch am gleichen Tag vom vereinbarten Gesamt-Verkaufspreis von 1,25 Millionen Mark ein Teilbetrag von 650.000 Mark und am 13.3.1899 weitere 55.000 Mark an den Lizenzgeber (die „Allgemeine Gesellschaft für Dieselmotoren A.G., Augsburg) angezahlt; man einigte sich außerdem auf eine (relativ geringe) Lizenzgebühr von nur 5 %.

 

Die Budapester „Aktiengesellschaft für Dieselmotoren“ vergab als Holding schon kurz darauf  fünf Unterlizenzen:

am 25.2.1899 an Graz, Wien

am 28.2.1899 an die „Maschinen- und Waggonfabrik Joh. Weitzer“ in Arad (Arad gehörte bis 1920 zu Ungarn, heute zu Rumänien)

am 3.3.1899 an die „Maschinenfabrik Danubius-Schönichen-Hartmann“ in Budapest

am 30.12.1899 an die „Waffen- und Maschinenfabrik AG“ in Budapest und

am 2.4.1901 an die „Leobersdorfer Maschinenfabrik von Ganz & Co“ in Leobersdorf bei Wien.

 

Der erste in Österreich-Ungarn gebaute Dieselmotor, Leistung 20 PS bei 170 U/min, Indienststellung Anfang 1899 bei der niederösterreichischen Metallwarenfabrik Arthur Krupp in Berndorf , stammte jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit von keinem der hier genannten Lizenznehmern, sondern von Langen & Wolf in Wien, einer 1872 gegründeten Tochtergesellschaft der deutschen Gasmotoren-Fabrik Deutz AG. Nach welchen Konstruktionszeichnungen (MAN oder Fried. Krupp ?) der Motor letztlich ausgeführt wurde, ist heute nicht mehr sicher zu ermitteln, denn Langen & Wolf besaß keine Lizenz zum Nachbau von Dieselmotoren [Köhler 2015]. Im Juli 1913 ging der Motor als Schenkung an das Technische Museum Wien, wo er seit der Museumseröffnung im Jahr 1918 als attraktives Exponat bestaunt werden kann.

 

Von den oben aufgeführten Lizenznehmern der „Aktiengesellschaft für Dieselmotoren“ bauten zunächst „Danubius-Schönichen-Hartmann“ und die „Waffenfabrik Budapest“ je einen 20 PS-Motor nach Augsburger Zeichnungen, die Waffenfabrik zusätzlich einen kleinen 4 PS-Motor, vermutlich nach französischer Konstruktion. Außerdem beschäftigten sich „Danubius-Schönichen-Hartmann“ und Joh. Weitzer in Arad von Anfang an mit der Entwicklung eines Zweitakt-Dieselmotors mit einer Leistung von 12 PS. Diese Arbeiten wurden jedoch, ähnlich wie die Zweitaktmotoren-Bemühungen in Augsburg bei MAN, ergebnislos abgebrochen. 

 

Nach einer mittlerweile 50 Jahre alten Veröffentlichung aus Wien [Haustein 1970/71] soll das dieser Publikation entnommene, hier gezeigte Bild 3 den ersten Graz-Dieselmotor aus dem Jahr 1900 darstellen. Technische Hauptdaten: Bohrung 23 cm, Kolbenhub 35 cm, Dauerleistung 20 PS, Gewicht ca. 6 Tonnen (d.h. Leistungsgewicht = ca. 300 kg/PS). Die Hauptbestandteile waren die Grundplatte, das damals übliche A-Gestell und der Zylinderkopf mit vertikaler und horizontaler Steuerwelle. Im Gegensatz zu den ersten MAN-Dieselmotoren, bei denen der Kompressor zur Kraftstoff-Lufteinblasung fest mit dem Motor verbunden war, stand der Einblasekompressor bei Graz abgesetzt neben dem Motor und wurde durch einen Riemen bzw. bei späteren Motoren durch die verlängerte Kurbelwelle angetrieben. Angeblich soll dieser Motor bis in die 1930er-Jahre gelaufen sein. 

 

Angesichts der massiven Bauweise und Größe muss allerdings stark bezweifelt werden, dass es sich tatsächlich um den ersten von Graz gebauten Dieselmotor handelt: wahrscheinlicher ist, dass Bild 3 einen später hergestellten Motor mit höherer Leistung zeigt. Dafür spricht auch, dass eine bei einem deutschen Sammler vorhandene Verkaufsliste der ersten 15 Graz-Motoren als die Nr. 1 einen 10 PS-Dieselmotor benennt, der 1902 für die Beleuchtung des Schlosses von Johann Weitzer gebaut wurde (der erfolgreiche Unternehmer Weitzer verstarb noch im gleichen Jahr). Graz-Dieselmotor Nr. 2 war nach der gleichen Quelle ein Motor gleicher Leistung, bestimmt für das Heizhaus der k. u. k.-Staatsbahn in Mährisch-Schönberg.

 

Bedingt durch die damalige weltweite Dieselmotoren-Krise hatten in der Zeit 1900/1901 die oben angegebenen fünf Lizenznehmer keine eigenen Dieselmotoren abgeliefert. Die Waffen- und Maschinenfabriks-Actiengesellschaft in Budapest betrieb zwar schon ab März 1900 und die Fabrik von Johann Weitzer in Arad ab Mai 1901 je einen 30 PS-Motor, doch beide Motoren wurden nach einer zeitgenössischen Verkaufsliste (Ausgabe Januar 1904) von MAN-Augsburg gefertigt und geliefert.

 

Vermutlich nicht der 1. Grazer-Dieselmotor aus dem Jahr 1900, sondern ein späterer Motor mit höherer Leistung.
Bild 3: Dies ist vermutlich nicht der allererste Grazer-Dieselmotor B 35 mit 20 PS Leistung wie oft behauptet wird, sondern ein etwas späterer 40 PS-Motor. Aufnahme aus HAUSTEIN 1970/71

Graz mit Serien-Motorenfertigung 

Doch die Situation sollte sich rasch ändern. Nach einer Aufstellung der „Allgemeinen“ in Augsburg hatte Graz bis Ende 1904 insgesamt 45 Zylindereinheiten und bis März 1906 schon 88 Zylindereinheiten abgeliefert [Cummins 1993].

 

Graz baute zwischen 1902 und 1935 folgende drei Dieselmotoren-Familien als stationäre Einblasemotoren:

 

Die Typen A bis Jn bzw. SK 75, bis etwa 1915 

Die Typen N 30 bis N 72, ab 1912 bis etwa 1924 

Die Typen NS 34 bis NS 75, von 1920 bis etwa 1935, sowie 

ab 1924 bis etwa 1935 den direkt einspritzenden kompressorlosen Hesselman-Motor HSS [Haustein 1972]. 

 

Erwähnenswert ist, das Graz ab ungefähr 1908 die ersten umsteuerbaren Schiffsmotoren mit 300 bis 450 PS Leistung herstellte. Dies geschah nur ein Jahr, nachdem die MAN ihre ersten vier Schiffsmotoren vom Typ SM 4 x 360 mit Getriebeumsteuerung für die beiden französischen U-Boote Circé und Calypso abgeliefert hatte [Bäumler, Köhler und Oehlers 2017; Köhler 2018]. Technisch interessant war auch ein Graz-Dieselmotor SK 75: dieser Einblasediesel in Kreuzkopfbauweise bestand aus zwei Dreizylinderblöcken mit dazwischen liegendem Generator. Er ging im Jahr 1912 an die Elektrozentrale der niederösterreichischen Landesbahn in St. Pölten. Die Bohrung betrug 55 cm und der Hub 75 cm. Der Motor trug die Bezeichnung 2 x SK 75/3 und war für 1.000 PS bei 167 U/min ausgelegt (Bild 4). 

 

Erster europäischer Kreuzkopfmotor als 2 mal Dreizylinder SK 75/3 mit dazwischenliegendem Generator von Graz
Bild 4: Erster europäischer Kreuzkopfmotor in Form eines 2 mal Dreizylindermotors SK 75/3 mit dazwischen angeordnetem Generator. Quelle Bild 3 und 4: HAUSTEIN, 1972

Zum Produktionsprogramm von Graz zählten auch Dieselmotoren für die diesel-elektrischen Antriebe von k. und k.-U-Booten. So erhielt das Unternehmen einen Auftrag für die Herstellung und Lieferung von zwei neu zu konstruierenden Sechszylinder-Dieselmotoren mit je 420 PS Leistung für das von Österreich erbeutete französische U-Boot Curie. Curie war im Dezember 1914 beim Versuch, im Hauptkriegshafen Pola (heute Kroatien) die dort ankernde k. und k.-Kriegsflotte anzugreifen, gescheitert und gesunken. Das U-Boot mit ursprünglich zwei französischen Sechszylinder-Dieselmotoren nach MAN-Lizenz mit je etwa 240 PS Leistung wurde gehoben, instand gesetzt, mit den neuen stärkeren Dieselmotoren von Graz versehen und am 1.6.1915 wieder als S.M. U 14 in Dienst gestellt. Nach Kriegsende wurde das U-Boot an Frankreich zurückgegeben; bis zur Ausgliederung im Jahr 1929 fuhr es wieder unter dem Namen Curie, ein Jahr später wurde es verschrottet.

In den Jahren 1917 und 1918 wurde eine Anzahl von Viertakt-Dieselmotoren mit ebenfalls sechs Zylindern für die österreichische U-Bootflotte gebaut. Diese umsteuerbaren Motoren in Leichtbauweise besaßen eine Bohrung von 34 cm und einen Kolbenhub von 38 cm. Die Leistung betrug 550 PS bei einer Drehzahl von 450 U/min.

 

Mit dem Hesselman-Dieselmotor HSS 34/6 mit einer Leistung von 200 PS bei 400 U/min und erstmals eingebautem Aluminiumkolben für Voll- und Schmalspur-Lokomotiven gelang Graz der Übergang zum Schienenfahrzeug-Dieselmotor. Kurz danach entstand der erste schnelllaufende Dieselmotor SH 250/6 (Bohrung / Hub = 21 / 25 cm) mit Aluminium-Kurbelgehäuse und Aluminium-Zylinderblock, der ein Leistungsgewicht von nur knapp 17 kg/PS hatte und z.B. 1933 in die zweiachsige ÖBB-Lok VT 70 eingebaut wurde. Aus dieser Zeit stammt auch die in Bild 5 wiedergegebene Produktanzeige.

Die von Graz hergestellten Viertakt-Schiffsdieselmotoren entstanden sowohl nach eigenen Konstruktionszeichnungen als auch in Lizenz von Burmeister & Wain, Dänemark (heute: MAN Energy Solutions SE).

Die Dieselmotoren aus Graz wurden nicht nur von österreichischen Kunden geordert, sondern genossen auch im Ausland hohes Ansehen. Beispiele für Aufträge: ein 100-PS-Motor für die Donau-Regulierungskommission, elf Schiffs-Generatorsätze für das Stabilimento Tecnico in Triest, mehrere 1.000-PS-Dieselmotoren für das Elektrizitätswerk im rumänischen Cluj, ein Dieselmotor für das Elektrizitätswerk in Tarnow in Polen [ANNO 1927] oder zwei U-Bootmotoren für das Bodenseeschiff MS Oesterreich, die das Schiff (heutiger Name Museumsschiff Österreich) von 1928 bis in die 1960er-Jahre hinein antrieben. 

 

Einer der bekanntesten Mitarbeiter bei Graz war Prof. Dr.-Ing. Hans List (1896-1996). Nach seinem Studium trat er 1920 als Konstrukteur in das Unternehmen ein und arbeitete dort an der Umstellung des Kraftstoff-Einblaseverfahrens auf die direkte Hochdruckeinspritzung sowie an der Regulierung von Dieselmotoren. 1924 promovierte er, 1932 erreichte ihn ein Ruf als Professor an der Technischen Hochschule Graz. Ab 1941 war er ordentlicher Professor an der Technischen Universität Dresden; 1948 gründete er die AVL (Anstalt für Verbrennungskraftmaschinen List), die heute weltweit ca. 11.500 Mitarbeiter, davon rund 4.300 in Graz, beschäftigt und seit 1979 von seinem Sohn, Prof. Dr.-Ing. Helmut List, geleitet wird.

 

Grazer Waggon- & Maschinenfabriks-Aktiengesellschaft, Werbeanzeige 1933
Bild 5: Werbeanzeige der Grazer Waggon- & Maschinen-Fabriks-Aktiengesellschaft aus dem Jahr 1933. Bild: Archiv Verfasser

Noch erhaltene Grazer- Dieselmotoren

Im Gegensatz zu den historischen Dieselmotoren von MAN [Bäumler, Köhler, Oehlers 2017] sind heute leider nur noch wenige historische Grazer-Dieselmotoren erhalten. Es ist aber nicht auszuschließen, dass der eine oder andere Privatsammler oder ein Schrotthändler noch einen Grazer-Ein- oder Zweizylinder der ersten oder zweiten Bauserie besitzt, dies aber nicht kommuniziert oder sich dessen nicht bewusst ist. Auf die vier historischen, leider (derzeit ?) nicht zugänglichen Grazer-Dieselmotoren in einer Halle auf dem früheren Gelände der Schwechater Bierbrauerei wurde zu Beginn dieses Artikels bereits hingewiesen (siehe die Bilder 1 und 2). Im Folgenden werden einige weitere frühe Grazer-Dieselmotoren vorgestellt.  

 

Sehr guter Zustand des Grazer Einzylinder-Einblasediesels, Baujahr 1904,
Bild 6: Dieses Bild beweist den ausgezeichneten Erhaltungszustand des Grazer-Dieselmotors aus dem Jahr 1904. Eindrucksvoll: das Video https://youtu.be/lzi6J6cSASo. Bild: Privat

16-PS-Einzylindermotor Baujahr 1904

Dieser Grazer-Einblasediesel mit der Schild-Nummer 19 steht, aufwändig restauriert, aber dennoch bis hin zum Geländer und dem Werkzeug noch im Originalzustand, bei einem privaten Sammler in Bayern. Dieser hatte ihn 2003 erworben, bei sich aufgestellt und etwa drei Jahre später zum Laufen gebracht (Bild 6). Damit handelt es sich um den ältesten noch betriebsfähigen Dieselmotor aus der früheren k. und k.-Produktionszeit, vielleicht sogar um den ältesten noch erhaltenen Grazer-Dieselmotor.

Sein Gewicht beträgt 5 Tonnen, wovon allein zwei Tonnen auf das besonders schwere Schwungrad (Durchmesser 2,1 m) für den Lichtbetrieb entfallen. Gerechnet ab Fußboden ist er 2,3 m hoch. Die Drehzahl für die Nennleistung beträgt 230 U/min, bei den etwa zwei Mal jährlich mit Dieselöl erfolgenden aktuellen Vorführungen nur 210 U/min. Nach Aussagen des derzeitigen Besitzers läuft der Motor fast geräuschlos; der überwiegende Anteil der Geräuschemission entfällt auf das Ansauggeräusch, das Auspuffgeräusch ist dagegen vernachlässigbar gering. Die Auspuffgase sind bei betriebswarmer Maschine praktisch nicht wahrnehmbar, so dass auch kein Konflikt mit den Nachbarn und den heutigen strengen Auflagen für den Umwelt- und Klimaschutz besteht. Im Internet existiert ein knapp sieben Minuten dauerndes sehenswertes Video vom Start und Betrieb dieses Motors (siehe Angabe dazu in der Bildunterschrift zu Bild 6). Der unmittelbar nach dem Motorstart im Video zu sehende weiße Qualm ist auf noch kaltes Zylinderschmieröl zurückzuführen.

 

Besteller des 16 PS-Einzylindermotors war im Frühjahr 1904 das Ordensspital und Kloster der Barmherzigen Brüder in Graz, das seit über 400 Jahren mit der Steierischen Hauptstadt verwurzelt ist. Nach einem undatierten Dokument der Barmherzigen Brüder ohne Verfassername [Unbekannter Autor] gab es im Spital bzw. Kloster noch einen zweiten Dieselmotor mit 12 PS effektiver Leistung, der wahrscheinlich im Dezember 1904 in Betrieb gegangen ist. Über dessen Geschichte und Verbleib konnte der Autor leider nichts in Erfahrung bringen. Beide Motoren trieben Schuckert-Dynamos an. Der erzeugte Strom sicherte die Beleuchtung der gesamten Konvents- und Spitalgebäude sowie den Betrieb einer starken Wasserpumpe, die stündlich 12.000 Liter förderte. Der Strom wurde außerdem für den Betrieb des damaligen Röntgenapparates verwendet.

Im Herbst 1904 wurde der 16 PS-Diesel in Betrieb gesetzt. Mit seiner Zuverlässigkeit müssen die Mönche des Klosters sehr zufrieden gewesen sein, denn der Motor lief an seiner ersten Betriebsstätte bis etwa 1930, zuletzt als Reserve. Zweiter Einsatzort war dann bis Anfang der 1950er-Jahre ein Sägewerk in der Steiermark.

 

Zur Steuerung des 16 PS-Motors dienten laut dem oben erwähnten technischen Dokument drei Ventile. Hierzu ein Passus aus dem Text in Original-Schreibmaschinenschrift: 

 

 

Leider wird der Grazer-Motor nicht mehr sehr lange in Deutschland stehen. Sobald es die Corona-Situation erlaubt, wird er ein neues Zuhause in dem 1985 gegründeten Coolspring Power Museum in Coolspring, Pennsylvania, finden. Dieses non profit-Museum besitzt etwa 300 historische Verbrennungskraftmaschinen bis hin zu einem Motor mit einer Leistung von 600 PS, von denen zahlreiche noch bzw. wieder betriebsfähig sind. Dort wird der Motor aus Graz zusammen mit einem bereits im Museumsbesitz befindlichen MAN-Motor DM 12, Baujahr 1903, dem sogenannten Helgoland-Motor [Bäumler, Köhler, Oehlers, 2017], in einem eigenen Gebäude Platz finden, das optisch einem deutschen Maschinenhaus aus der Jahrhundertwende nachempfunden sein wird. Sobald der Motor betriebsfähig ist, wird der amerikanische „Helgoland-Dieselmotor“, den im Jahr 1928 Henry Ford für sein Museum in Dearborn, Michigan, kaufte, der weltweit älteste aus eigener Kraft laufende Dieselmotor sein. Zusammen mit dem ein Jahr jüngeren ehemaligen Grazer-Einzylinder dürfte so ein technikhistorisch wertvolles Ensemble entstehen, das in dieser Art in der Welt wohl einzigartig ist. 

 

Grazer 80 PS-Zweizylindermotor, Baujahr 1915,  ausgestellt im Technischen Museum Wien
Bild 7: An prominenter Stelle präsentiert sich der zweizylindrische historische 80 PS-Viertakter den Museumsbesuchern. Links die Druckluftflaschen für den Motorstart und die Kraftstoff-Einblasung.

80 PS-Dieselmotor Baujahr 1915 

Dieser imposante Motor mit seinem 110 Volt-Gleichstromgenerator von der Wiener Gesellschaft für elektrische Industrie wird seit Juni 1999 in der Ebene 2 der Mittelhalle des Technischen Museums Wien (TMW) in der Mariahilfer Straße unter der Inventarnummer 679/1 präsentiert (Bilder 7 und 8). Einer der beiden Zylinder und Teile des Generators sind aufgeschnitten und erlauben einen Blick in das Innenleben dieser Bauteile. Dem Museum gehört der stehende Zweizylinder-Viertakt-Dieselmotor allerdings bereits seit dem 25. Mai 1916; an diesem Tag ging er als Schenkung der Grazer Waggon- & Maschinen-Fabriks-Aktiengesellschaft an das Museum über (pers. Mitteilung des TMW vom 3. August 2020 an den Autor). Da der Stationärmotor 1915 montiert wurde, ist fraglich, ob er in den wenigen Monaten dazwischen überhaupt bei einem Kunden zur täglichen Stromerzeugung im Einsatz war. Eher wahrscheinlich ist, dass er nach seiner Fertigstellung einige Monate bei Graz selbst lief, bevor er, aus welchen Gründen auch immer, dort nicht länger benötigt und deshalb dem Museum geschenkt wurde. Es ist aber auch nicht auszuschließen, dass der Zweizylinder als Ausstellungsobjekt diente.

Die mutmaßlich sehr geringe Laufzeit des Dieselmotors erklärt den hervorragenden technischen Zustand.

 

Es handelt sich bei ihm um einen Einblasediesel, bei dem der flüssige Kraftstoff, wie bei diesen frühen Dieselmotoren üblich, noch mittels Druckluft aus einem serienmäßigen Kompressor (Typ K11) mit einem Druck von etwa 30 bar in die beiden Zylinder eingeblasen wurde -  obwohl der deutsche Ingenieur und Erfinder Prosper L’Orange (1876-1939) in seiner Zeit bei Benz & Cie. in Mannheim bereits 1909 sein berühmtes Vorkammer-Patent DRP 230 517 angemeldet hatte. L’Orange gilt damit als Erfinder des kompressorlosen Dieselmotors mit der Kraftstoff-Einspritzung über eine Einspritzpumpe und eine Nadeleinspritzdüse in eine Vorkammer. Der vom Motor angetriebene Kompressor war, wie bei Graz üblich, nicht fest am Motor angebracht, sondern stand abgesetzt auf einem Sockel.

Erst im Jahr 1922 stellte Graz seine Dieselmotoren auf das kompressorlose Verfahren um. 

 

Grazer 80 PS-Zweizylindermotor, Baujahr 1915,  Blick von oben auf den Motor
Bild 8: Blick von oben auf den Motor. Bild: Johannes Maximilian / Wikipedia

Der Zylinderdurchmesser des Wiener Aussstellungsmotors beträgt 32 cm, sein Kolbenhub 49 cm. Die Gesamtleistung von 80 PS wurde nach TMW-Angaben bei einer Drehzahl von 225 U/min erreicht. In einer neuen Veröffentlichung findet man eine Drehzahl von 180 U/min [Köster 2020]. Beide Drehzahlen sind je nach der Polpaarzahl des Generators möglich: zur Drehzahl 225 U/min würde eine Polpaarzahl von 16 gehören, betrug die Drehzahl 180 U/min, war die Polpaarzahl des Generators 20. Je nach der tatsächlichen Drehzahl sind die Motorleistungen leicht unterschiedlich: 80 PS bei 225 U/min bzw. nur 64 PS bei 180 U/min (gleicher effektiver Mitteldruck angenommen).

Die Maße des Motors (ohne Generator) sind wie folgt: Breite = 3,2 m, Tiefe 1,7 m und Höhe = 2,9 m (TMW-Datenblatt), das Gewicht liegt bei 20 Tonnen.  

 

Bild 8 ist ein Blick von oben auf die oben liegende Nockenwelle, die Rollenkipphebel und die hängenden Ventile. Der Antrieb der Nockenwelle erfolgte über eine "Königswelle" durch die Kurbelwelle.

 

Hesselman-Notstromaggregate des ehemaligen Senders Bisamberg

Die erste österreichische Mittelwellen-Sendeanlage Bisamberg an der Grenze zwischen Wien und Niederösterreich ging im Mai 1933 in Betrieb und sendete bis zum 13. April 1945. An diesem Tag wurden das Sendegebäude und die Antennenanlage durch die abziehenden SS-Truppen zerstört. Zum Glück konnte durch das beherzte Eingreifen der Belegschaft des Senders die Sprengung der drei Grazer-Generatorsätze verhindert werden, so dass sie noch heute erhalten sind, natürlich aber nicht mehr genutzt werden.

 

Erste Sendeanlage Bisamberg, drei Grazer Verbrennungsmotoren mit Generatoren
Bild 9: Die aus drei Hesselman-Viertaktmotoren bestehende Stromversorgungsanlage der ersten Sendeanlage des ehemaligen österreichischen Senders Bisamberg ist mittlerweile fast 90 Jahre alt. Bild: Deneb-dewiki
Kraftwerksanlage Snder Bisamberg, Grazer-Hesselman-Motor
Bild 10: Nahaufnahme eines der beiden Bisamberger Fünfzylinder-Hesselman-Motoren. Bild: Dorferneuerungsverein Langenzersdorf/Wikimedia

 

Diese kompressorlosen Grazer Motoren aus dem Baujahr 1932, zwei Fünfzylinder und ein Vierzylinder mit Leistungen von 500 bzw. 400 PS (Bilder 9 und 10) und einer Normaldrehzahl von 300 U/min , wurden benötigt, weil der Sender 1933 noch nicht komplett an das öffentliche Stromnetz angeschlossen war. Die Generatoren, zwei 420 kVA-Generatoren und ein 335 kVA-Generator, stammten von Siemens-Schuckert. Betrieben wurden die Motoren mit Gasöl, das mit einem Druck von bis zu 300 bar eingespritzt wurde. Die Abgase der Motoren wurden zur Gebäudeheizung genutzt.

 

Verbrennungsmotoren nach dem Konzept des schwedischen Ingenieurs und Erfinders Knut J. E. Hesselman (1877-1957) haben heute keine Bedeutung mehr. Es handelte sich um Hybridmotoren, also weder um reine Otto-, noch um reine Dieselmotoren. Am ehesten entsprechen sie dem Ottoverfahren mit Direkteinspritzung. Wie beim Dieselmotor wurde reine Luft verdichtet (wenn auch nicht so stark wie beim Diesel) und der flüssige Kraftstoff beim oberen Totpunkt eingespritzt, doch die Zündung des Gemisches erfolgte per Zündkerze. Der Hesselman-Motor konnte während des gesamten Arbeitsspiels mit geringen Drücken und Kraftstoffen mit sehr niedriger Oktanzahl, wie Petroleum und leichtem Gasöl, betrieben werden.

Knut Hesselman meldete seine Erfindung im Jahr 1920 zum Patent an und stellte fünf Jahre später seinen ersten Hesselman-Verbrennungsmotor im Betrieb vor.

 

 

Verwendete Literatur: 

http://www.bcd-urbex.com/diesel-centrale-austria/, aufgerufen Juli 2020

standmotor.de/forum/viewtopic.php?p=42670, aufgerufen Juli 2020

Anonym [2021]: pers. Mitteilung an den Autor, Juni 2021

Anonym: ANNO Zeitungen, Ausgabe vom 8.9.1927, Österreichische Nationalbibliothek

Anonym: Grazer Maschinen- und Waggonbau-Aktiengesellschaft, https://de.wikipedia.org/wiki/Grazer Maschinen- und Waggonbau-Aktiengesellschaft, aufgerufen Juni 2020

Bäumler Walter, Köhler Horst und Oehlers Werner [2017]: Historische MAN-Dieselmotoren 1895-1945. MAN Augsburg, ISBN 978-3-00-058112-0

Cummins Lyle [1993]: Diesel’s Engines, Vol 1. Carnot Press, Wilsonville, Oregon, USA

Haustein Heinrich [1972]: Die Grazer stationären Dieselmotoren 1900 bis 1935. In: Blätter für Technikgeschichte Band 32/33, 1970/71, Technisches Museum für Industrie und Gewerbe in Wien - Forschungsinstitut für Technikgeschichte. Wien – In Kommission: Springer-Verlag, ISBN 978-3-211-81073-6

Köhler Horst [2015]: Die ersten Dieselmotoren bis 1900 weltweit. S. 18/19 und S. 37 (44-seitige Broschüre im Eigenverlag des Autors, vergriffen)

Köhler Horst [2018]: Dieselmotoren erobern den U-Bootmarkt. www.dieselmotoren-historik.com, Kategorie „Sonstiges“

Köster Dirk W. [2020]: Donau Diesel. www.oldtimer-traktor.com 5/2020

Küffel Rudolf [1933]: Die Dieselzentrale der neuen Sendestation. ANNO Zeitungen, Ausgabe vom 26.5.1933 

Unbekannter Autor [Undatiert]: Technische Beschreibung zu dem Projekt betreffend die Errichtung einer elektrischen Beleuchtungs- und Kraftübertragungs-Anlage in den dem Konvent der Barmherzigen Brüder, Graz, Annenstrasse No. 4 gehörenden Objekten.  Das 6-seitige Dokument könnte aus der Zeit um 1903-1904 stammen, und zwar entweder von Graz oder von einem Beratungsbüro der Barmherzigen Brüder.

 

Dieser Beitrag wurde am 12. Oktober 2020 online gestellt; aktualisiert am 21. Juni 2021.

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Der Nürnberger Motor NM: auf dem Weg zum kompressorlosen Dieselmotor

von Horst Köhler, Friedberg

 

Einleitung

Wir drehen das Rad der Zeit um 110 Jahre zurück – und befinden uns im Jahr 1911. Am 29. April 1911 öffnet im Valentina-Park die Internationale Industrie- und Gewerbe-Weltausstellung Turin, die bis zum letzten Tag am 19. November 1911 über 7 Millionen Besucher anziehen wird. Der Erfinder Rudolf Diesel erhält in Turin die Auszeichnung "Fürst des Geistes" und gehört der Jury an. Im eindrucksvollen deutschen Pavillon steht als mittelgroßes Exponat ein Zweizylinder-Dieselmotor mit einer Gesamtleistung von 100 PS bei einer Drehzahl von 215 U/min. Konstrukteur des Motors ist Emil Vogel aus Winterthur, ein Neffe von Lucian Vogel (1855-1915; [Köhler 2018]); hergestellt wurde der Ausstellungsmotor von MAN Nürnberg; bis zur Vereinigung mit der Maschinenfabrik Augsburg im Jahr 1898 hieß das Unternehmen Maschinenbau Actien-Gesellschaft Nürnberg.

 

Motortyp NM in Turin: klein und nicht allzu leistungsstark

Was war aber nun das Besondere an dem in Turin präsentierten 100-PS-Dieselmotor, der als „Vogel-Motor“, mitunter auch als „Vogel-Lang-Motor“ mit der Typenbezeichnung NM bekannt wurde und in einer historischen MAN-Firmenbroschüre sogar als Highlight des Jahres 1911 aufgelistet ist [MAN 1948]? Waren doch zu diesem Zeitpunkt die äußerst schwierigen Jahre unmittelbar nach der Markteinführung des Dieselmotors vergessen und die Diesel-Hauptpatente 1907 und 1908 abgelaufen. Damit war der Bau von Dieselmotoren für alle interessierten Hersteller weltweit ohne konstruktive und finanzielle Verpflichtungen gegenüber der MAN bzw. dem im Jahr 1898 gegründeten Augsburger Lizenzverwertungsunternehmen "Allgemeine Gesellschaft für Dieselmotoren AG" freigegeben. Längst hatten die ersten in größeren Stückzahlen gebauten Serienmotoren der Hersteller, wie z.B. der Typ „DM“ der MAN und der gleichnamige, aber eigenentwickelte Motor der Gasmotoren-Fabrik Deutz AG [Köhler 2017a] sowie die Deutz-Vorgängerserie „8“ die Zuverlässigkeit und die Wirtschaftlichkeit dieser Verbrennungskraftmaschine endgültig bewiesen. Die produzierten Stückzahlen waren enorm: allein die MAN-Werke in Augsburg und Nürnberg setzten bis Jahresende 1910 weltweit 1.524 Dieselmotoren mit einer Gesamtleistung von rund 121.000 PS in Betrieb [Bitterauf 1924].

 

Die Leistung des auf der Turiner Weltausstellung gezeigten NM-Dieselmotors war vergleichsweise gering. So gab es in Turin neben einem Zweitakt-Schiffs-Dieselmotor mit sechs Zylindern, ebenfalls von MAN Nürnberg, mit 300 PS Leistung bei 300 U/min u.a. auch einen Vierzylinder-Viertakt-Dieselmotor 53,5 / 77 (= Bohrung / Hub in cm) mit 600 PS bei 150 U/min von Franco Tosi zu sehen, einem Unternehmen, das erst 1907 in das stark wachsende internationale Dieselmotorengeschäft eingetreten war. Die schon ab 1903 ausgelieferten Augsburger Serienmotoren „DM 100“ hatten in der Vierzylinderausführung bereits eine Leistung von 400 PS. Nur wenige Jahre später lieferte die Krupp Germaniawerft in Kiel einen Siebenzylinder-Dieselmotor mit einer Leistung über 2.000 PS für die Festungswerke auf Helgoland aus. Unbestrittener Höhepunkt des damaligen Dieselmotorenbaues: sowohl MAN Nürnberg als auch die Krupp Germaniawerft begannen 1910 im Auftrag des Reichsmarineamtes mit der Entwicklung und Erprobung je eines doppeltwirkenden Sechszylinder-Zweitakt-Großdieselmotors mit einer Leistung von 12.000 PS (!) bei 135 U/min. Der Nürnberger Motor war für das deutsche Schlachtschiff SMS Prinzregent Luitpold vorgesehen [Köhler 2017b], der Kieler Motor zunächst für das Linienschiff Kronprinz, später für die SMS Sachsen. Wegen diverser technischer Probleme bei der Erprobung und dem nahen Ende des 1. Weltkriegs gelangten beide Motoren nicht mehr zum Einbau in die vorgesehenen Schiffe – und wurden später verschrottet. MAN Nürnberg hatte ohnehin 1914 den Dieselmotorenbau aufgegeben und ins MAN-Werk Augsburg verlegt. Trotzdem fand der letzte offizielle Werkslauf des 12.000-PS-Motors, ein fünftägiger Volllast-Dauerlauf, noch drei Jahre danach, 1917, in Nürnberg statt.

 

Die Kraftstoffzufuhr in den Zylinder

Der Weg zur optimalen, sicheren Zufuhr des Kraftstoffs in den Brennraum von Dieselmotoren und seiner guten Zerstäubung war mühsam, langwierig und mit vielen Enttäuschungen und Rückschlägen verbunden. Fast alle Lösungen dazu gehen, was nicht allgemein bekannt ist, ursprünglich auf frühe Ideen und Patente von Rudolf Diesel zurück. Beispiele dafür: seine am 20.4.1892 an die Maschinenfabrik Augsburg (MA) geschickte Beschreibung mit Skizze über eine Art Luftspeicher um die Einspritzdüse herum (Bild 1, in einer späteren Reinzeichnung), sein Vorschlag eines Kolbens mit halbkugelförmigem Verbrennungsraum (Schreiben vom 23.8.1892 an die MA) und eine in seinem Patent DRP 82 168 vom 30.11.1893 skizzierte Vorkammer [Schnauffer 1958].

Rudolf Diesel, erstmals im April 1892 vorgeschlagene Einspritzdüse mit Kammer, spätere Reinzeichnung
Bild 1: Reinzeichnung der ursprünglichen Skizze von Rudolf Diesel vom April 1892: n = Düsennadel, s = Ringraum, r = innerer Düsenraum, D = Zerstäubungsdüse. Archiv des Autors

 

Nicht in Vergessenheit geraten darf vor allem, dass sich Rudolf Diesel 12 Jahre später unter dem Pseudonym Oscar Lintz, Berlin, mit dem DRP 178 896 vom 15.1.1905, ausgegeben am 3.12.1906, eine Methode zum direkten Einspritzen flüssiger Kraftstoffe in Verbrennungs-kraftmaschinen schützen ließ. Der Patentanspruch Nr. 1 lautete wie folgt: „Verfahren zum direkten Einspritzen flüssiger Brennstoffe in Verbrennungskraftmaschinen, dadurch gekenn-zeichnet, daß ein mit Luft oder Sauerstoff unter sehr hohem Druck gesättigter, eventuell auch künstlich erhitzter Strahl von flüssigem Brennstoff unter diesem Druck direkt in den Kompressionsraum des Motors durch feine Öffnungen eingespritzt wird.“ Dies ist aus technikhistorischer Sicht vor allem deswegen bemerkenswert, weil sich die ersten Arbeiten von MAN Augsburg zur Direkteinspritzung in den (ungeteilten) Brennraum relativ spät, nämlich auf Jahresbeginn 1915, knapp 1 ½ Jahre nach dem Tod von Rudolf Diesel, datieren lassen. Wegen der vorrangigen Produktion von U-Boot-Dieselmotoren während des 1. Weltkriegs wurden diese Arbeiten außerdem auch noch bis 1918 unterbrochen. 1919 kam es schließlich an dem MAN-Motor „DM 8“ zu den ersten Versuchen der damals „unmittelbare Einspritzung“ genannten Kraftstoff-Direkteinspritzung.

Die Richtigkeit der frühen Vorschläge Rudolf Diesels erkannte man bedauerlicherweise erst viel später – sonst wäre es vielleicht schon früher gelungen, einen funktionierenden kompressorlosen Dieselmotor zu entwickeln.

 

Blick zurück in die Anfangsjahre

Schon am ersten Versuchsmotor 15 / 40 (= Bohrung / Hub in cm) der MA versuchte Diesel im August 1893 die Einspritzung des Kraftstoffes direkt aus einer Petroleum-Druckleitung unter gleichzeitigem Öffnen eines gesteuerten Düsenventils („Nadel“). Nach dem Umbau des Motors Mitte Januar 1894 ging er auf die direkte Einspritzung über eine Kraftstoffpumpe über. Da die Ergebnisse  ebenfalls nicht zufrieden stellten, wurde die Pumpe wieder abgebaut und versucht, die Einspritzung direkt aus der unter konstantem Druck gehaltenen Petroleumleitung durch Steuerung des Nadelventils zu realisieren. Auch dies stellte sich als unbrauchbar heraus. So befasste sich man mit der Idee, den Kraftstoff durch verdichtete Luft einzublasen, ein Verfahren, das Rudolf Diesel im November 1893 zum Patent angemeldet hatte (DRP 82 168). Doch es ergaben sich explosionsartige Verbrennungen. Parallel wurde weiter nach Alternativen gesucht: wieder direkte Einspritzung ohne Lufteinblasung, dann Rückkehr zur Kraftstoff-Einblasung durch einem vom Motor abgesetzten Linde-Kompressor (Diesels Meinung dazu: „war mir ein großer Gram“), danach Selbsteinblasung durch verdichtete Luft aus dem Zylinder während des Kompressionshubes („Überschubverfahren“; Diesel-Patent DRP 67 207 aus dem Jahr 1892. Wirkungsweise: ein kleiner Teil der verdichteten Luft wird über ein Rückschlagventil in ein kleines Gefäß (Kammer) gedrückt; beim Hubwechsel wird eine gesteuerte Kraftstoffnadel geöffnet, worauf die im Gefäß enthaltene Druckluft den Kraftstoff in den Verbrennungsraum drückt), vergleichende Versuche mit Selbsteinblasung und Einblasung durch einen Kompressor (Luftpumpe). Als die Versuchsserie mit dem Motor  15 / 40 im März 1894 zu Ende ging, wurde, so Diesel wörtlich, „das direkte Einspritzen sowohl mit Pumpe als auch aus der Druckleitung endgültig aufgegeben“ [Diesel 1913]. Der Nachfolger des ersten Versuchsmotors, ein 22 / 40 mit 22 cm Zylinderdurchmesser und unverändertem Hub von 40 cm, lief ab Ende März 1895 bei der MA zunächst mit Lufteinblasung mittels eines Linde-Kompressors, dann einige Monate später mit einer angebauten eigenen Luftpumpe. Der dritte Augsburger Versuchsmotor, ein in zwei Exemplaren im Jahr 1896 hergestellter Motor 25 / 40 mit einer Leistung von 20 PS, bekam von Anfang an einen seitlich am Motorgestell angegossenen Luftpumpenzylinder, der über Schwinghebel von der Pleuelstange betätigt wurde.

 

Kraftstoffzerstäubung durch Einblasung, Anbringung des Luftpumpenzylinders, MAN-Motors DM 10, Baujahr 1905
Bild 2: Bei diesem frühen Einzylinder-MAN-Motor DM 10 (Leistung 10 PS bei 255 U/min), Baujahr 1905, befindet sich der von der Kurbelwelle angetriebene Luftpumpen-Zylinder in Fußbodenhöhe. Foto: Horst Köhler

Rund zwei Jahrzehnte blieb die Kraftstoffzufuhr in den Zylinder mittels „externer“ Druckluft für die Dieselmotorenhersteller Stand der Technik, obwohl die Einblaseluftpumpe je nach Ausführung bis zu 15 % der erzeugten Motorleistung verbrauchte. Das Verfahren hatte noch einige weitere Nachteile: der Motor wurde mechanisch aufwändiger, schwerer und damit auch teurer. Aus diesen Gründen war damals an eine Verwendung als Fahrzeugmotor auch nicht zu denken. Doch die Kraftstoffeinblasung erfüllte für die in den Anfangsjahren der Entwicklung der Dieselmotoren geforderten Drücke um 40 bar voll ihren Zweck; Bearbeitungstechnik und Metallurgie hätten es zu einem derart frühen Zeitpunkt wohl kaum erlaubt, die extrem feinen Düsen und zuverlässig arbeitende Kraftstoff-Hochdruckpumpen herzustellen.

Bei größeren Dieselmotoren war die Luftpumpe meist fest vor dem Zylinder angebaut, bei kleineren brachte man sie an der Grundplatte an (Bild 2).

 

„Vogel-Motor“ Typ NM: Konstruktion und Erfahrungen

Die Arbeiten von MAN Nürnberg zur Herstellung eines luftpumpenlosen Dieselmotors, der nach dem oben erwähnten Überschubverfahren arbeiten sollte, begannen 1907/08 unter der Leitung von Emil Vogel. Im Prinzip baute der neue Motor, der auf Vorschlag des Vogel-Mitarbeiters und Erfinders Franz Lang die Typenbezeichnung NM erhielt, auf den (negativen) Erfahrungen auf, die sowohl MAN Augsburg / Rudolf Diesel als auch Fried. Krupp, Essen, bei entsprechenden Versuchen in der Zeit um 1898/99 gemacht hatten. Basis des Motors NM war das DRP 172 628 von Emil Vogel vom 22.7.1904. Im Unterschied zu dem im DRP 67 207 von Rudolf Diesel beschriebenen Verfahren, das Emil Vogel gut kannte und in seiner Patentschrift auch erwähnte, schlug er ein modifiziertes Ladeverfahren vor, bei dem nicht nur eine geringe Luftmenge wie bei Diesel, sondern mindestens der größte Teil der komprimierten Luft am Ende des Verdichtungshubes über ein Rückschlagventil in eine Kammer (auch Vorlage genannt) gepresst wird [Hausfelder 1928].

 

Nach der Umkehr des Kolbens, wenn der Zylinderdruck auf etwa 30 bar gesunken war, strömte der unter höherem Druck stehende Inhalt der Kammer in den Zylinder zurück. Gleichzeitig öffnete das Kraftstoffventil und spritzte Kraftstoff in den Brennraum, der sich mit der überströmenden Luft vermischte und mit ihr verbrannte. Vor der Selbstzündung musste natürlich das Überstromventil zur Kammer geschlossen werden. Weder ein externer Kompressor noch eine vom Motor angetriebene Luftpumpe war nötig, was den Motor nach Auffassung von MAN Nürnberg konstruktiv einfacher, leichter und billiger machen sollte. Die Nachteile: die NM-Motoren mussten höher als normale Dieselmotoren dieser Zeit verdichten (der Verdichtungsenddruck betrug typischerweise 40 bar anstatt der damals üblichen 30 bar), weil zum Einblasen ein bestimmter Überdruck gehörte. Die Einspritzung konnte erst beginnen, wenn sich der Kolben bereits etwas in Richtung unterer Totpunkt bewegt hatte. Die Folge: der NM-Motor hatte mit 220 g/PSh einen relativ hohen Verbrauch (normale Dieselmotoren mit Kraftstoffeinblasung dieser Zeit hatten Verbräuche um 190 g/PSh), der aber immer noch besser war als der von leistungsgleichen Glühkopfmotoren. Als besonders schwierig gestaltete sich die Lösung der Aufgabe, den Druck in der Kammer stets auf gleicher Höhe zu halten. Zwar gelang es durch eine entsprechende Steuerung des Überstromventils, die Menge der vom Zylinder in die Kammer übergeschobenen Luftmenge konstant zu halten, doch dies reichte nicht aus, um stets die gleiche Luftmenge vom Behälter durch das Einblaseventil in den Zylinder strömen zu lassen. In einem zweiten Patent (DRP 243 371 vom 9.12.1909) beseitigte Emil Vogel diesen Nachteil durch eine konstruktive Änderung des Zylinderkopfes.

Bild 3 aus DRP 243 371 zeigt einige Details; Erläuterungen dazu folgen im nächsten Absatz. 

Kompressorloser Dieselmotor, Nürnberger Motor, NM, Patent Emil Vogel Nr 243 371
Bild 3: Schematische Darstellung einer verbesserten Ausführungsform des NM-Motors nach dem DRP 243 371 von Emil Vogel.

Unklar bleibt, ob die Erfindungen gemäß der beiden Vogel-Patente bei der Herstellung der NM-Motoren zur Anwendung gelangten oder nicht. Nach Schnauffer 1958 sollen angeblich die beiden Patente bei der Konstruktion der Motoren keine Rolle gespielt haben, was bedeutet, dass sie nach dem im Jahr 1898 von Rudolf Diesel vorgeschlagenen, aber misslungenen Verfahren arbeiteten. Letzteres ist allerdings aus Sicht des Autors dieses Artikels schwer vorstellbar: warum sollte Emil Vogel und sein Team genau die gleiche Motorenkonstruktion wie die frühere bei MAN Augsburg gewählt haben, wo doch alle Beteiligten genau wussten, dass der Motor nicht funktioniert hat? Vogel ließ sich nicht ohne Anlass in seinen beiden Patenten von 1904 und 1909 Konstruktions-Verbesserungen schützen. Dass er zumindest das erste Patent aus dem Jahr 1904 beim Bau der NM-Motoren nicht realisierte, ist deshalb nicht nachvollziehbar. Bemerkenswert ist, dass Schnauffer seinen Hinweis in einer zwei Jahre früher erschienenen Publikation zum gleichen Thema [Schnauffer 1956] nicht erwähnte.